Benutzer:Man77/WikiCon 2014

Reisebericht zur WikiCon 2014

Anlässlich der WikiCon 2014, die vom 3. bis 5. Oktober 2014 in Köln stattfand, reichte ich vorab einen Antrag zur Übernahme der Reisekosten durch WMAT ein, der bewilligt wurde. In Übereinstimmung mit den Vorgaben zur Reisekostenerstattung sowie zwecks der Dokumentation auch für interessierte Daheimgebliebene werde ich in den folgenden Absätzen über die durchgeführte Reise berichten.

Reisezweck

Neben dem sämtlichen Wikipedianer-Treffen inhärenten Zweck Kontakte zu knüpfen und zu pflegen hatte meine Reise nach Köln folgende spezifische Gründe:

  • Arbeitsgespräche des Schiedsgerichts
    Das Schiedsgericht, bei dem ich Mitglied bin, veranstaltet, da keine internen großen Projekte anstehen, derzeit keine eigenen Treffen, sondern versucht seine Treffen in andere Veranstaltungen einzubauen. So fand auch am Rande der WikiCon eine SG-Sitzung statt, an der alle in Köln zugegenen SG-Mitglieder teilnahmen.
  • Abhalten eines Vortrags
    Der von mir eingereichte Programmvorschlag, eine Präsentation und Diskussion zum Thema Exotik/Exotismus in Wikipedia, wurde in das offizielle Programm der WikiCon aufgenommen.
  • Besuch von Vorträgen und anderer Veranstaltungen
    Schon seit längerer Zeit wollte ich mich auf einem Workshop in die Kartenbearbeitung mit Inkscape einschulen lassen. So ein Workshop stand auf der WikiCon 2014 ebenso im Programm wie zahlreiche andere interessante Panels, die für meine Tätigkeiten in der deutschsprachigen Wikipedia und in anderen Projekten von Relevanz waren.
  • Helfertätigkeiten
    Da ich auch als Helfer eingetragen war, zählte auch meine Mithilfe beim Einrichten der Location zu den Reisezwecken.

Bericht zu den einzelnen Punkten

Treffen des Schiedsgerichts

Von den (mich eingeschlossen) neun aktiven Mitgliedern des SG nahmen sechs an der WikiCon teil, zwei von ihnen begegnete ich in Köln erstmals. Die Veranstaltung bot somit auch den Rahmen für ein persönliches Kennenlernen im real life, nachdem man sich online schon viele Male getroffen hatte.

Am Samstagvormittag fand eine etwa zweistündige SG-Sitzung statt, die (mangels derzeit vorhandener Anfragen ans SG) genutzt wurde, um sich über die abgeschlossenen Fälle der letzten Wahlperioden nochmals und über die kommenden Wahlen zum Schiedsgericht als bevorstehendem Projekt auszutauschen.

Vortrag zu Exotik und Exotismus in Wikipedia

 
Nein, es geht nicht um WikiPorn. Dennoch lässt sich darüber streiten, ob dies die optimale Bebilderung zur Bevölkerung Namibias ist.

Der von mir engereichte 45-minütige Beitrag stand am Samstagnachmittag im Programm und wurde von einem guten Dutzend Teilnehmerinnen und Teilnehmern besucht. Die Präsentationsfolien sind als PDF auf Commons verfügbar.

Kurzfassung des Vortrags: Ausgehend von einem konkreten Beispiel für „relative Exotik“ stellte ich die zentralen Begriffsdefinitionen aus der deutschsprachigen Wikipedia dar. Daraufhin widmete ich mich im Vortrag verschiedenen Beispielen aus der deutschsprachigen Wikipedia, teils solchen, die „exotische Themen“ behandeln, teils „Exotismen“ in der Darstellung, abschließend einem gegenteiligen Phänomen, einer formalistischen eurozentrischen, stellenweise falschen Logik. Ziel des Vortrags war es einerseits darzustellen, welches Verhältnis Wikipedia zur „Exotik“ hat (in ihrem Regularium und in ihrem Artikelbestand), und dass dieses ein wikipediaspezifisches ist, das sich in dieser Form zum Beispiel in anderen Medien nicht widerspiegelt. Andererseits wollte ich auf die diversen Probleme aufmerksam machen, die in den einschlägigen „exotischen“ Artikeln auftreten.

Schon jetzt, wenige Tage danach, ist feststellbar, dass der Vortrag dem Artikelcorpus der deutschsprachigen Wikipedia gutgetan hat. Teilweise wurde schon während des Vortrags durch Anwesende an Artikeln gearbeitet oder zwischendurch lebhaft diskutiert. Ein besonderes Schmankerl ist für mich, dass in kurzer Zeit nun neun Artikel über turkmenische Frauen (mit verschiedenster Lebensleistung) geschrieben wurden, nachdem ich im Vortrag noch darauf hingewiesen hatte, dass Turkmenistan das einzige/letzte Land ist, in dem der Männeranteil bei den Biographien 100 % beträgt. Abgesehen von diesem Beispiel fand ich auch die Diskussionen während und nach dem Vortrag sehr positiv und glaube, nicht nur selbst mit einem geschärften, „reicheren“ Blick auf die Thematik aus Köln abgereist zu sein.

Besuchte Vorträge etc.

Von mir besuchte Veranstaltungen des offiziellen Programmes:

Workshop zur Ein­füh­rung in Kar­ten- und Gra­fik­be­ar­bei­tung mit Ink­scape
 
Premiere

Von mir schon lange gewünscht war gezeigt zu bekommen, wie Gemeindelagekarten im Vektorgrafikformat bearbeitet und erstellt werden können. In dem eineinhalbstündigen Workshop von Don-kun und Elop wurde, etwas improvisiert aber umso mehr auf die Bedürfnisse der Teilnehmer eingehend, in das Programm Inkscape von Grund auf eingeführt und praktische Beispiele erarbeitet.

Mein persönliches Anliegen, die Bearbeitung primär mexikanischer Gemeindelagekarten, war ein solches, wie ich heute weiß, einfaches Beispiel. Resultat des Workshops für mich sind bereits jetzt mehrere neu hochgeladene Karten. Bei Abschluss meines Vorhabens kann alleine für Mexiko mit sehr deutlich über hundert Karten gerechnet werden, die in mehreren Sprachversionen zur Illustrierung nützlich sein werden.

Das Ver­hält­nis zwi­schen Nut­zern und Betrei­bern

Diese Session zu einem derzeit sehr brisanten Thema konnte mich leider nicht völlig überzeugen. Der Impulsvortrag durch Stepro war zwar gut strukturiert und so, dass ich auch inhaltlich zustimmen kann, war mir jedoch zu sehr auf den spezifischen Kasus Deutschlands fokussiert (das heißt, es ging bei Chaptern nicht um Chapter an sich, sondern rein um WMDE).

Zweiter und für mich gröberer Kritikpunkt ist die folgende Diskussion, in der nur Altbekannte Positionen wiedergekäut wurden, ohne irgendwie voranzukommen. Allseits schien man sich einig, selber ratlos zu sein, ob man denn selber etwas besser machen könnte.

Podiums­dis­kus­sion zu Wiki­pedia & Wissen­schaft

Die Podiumsdiskussion eignete sich meiner Wahrnehmung zufolge gut dazu, anhand der Beiträge der Podiumsdiskutanten seine eigenen Grundannahmen zur Qualität der Wikipedia, ihrer Wissenschaftlichkeit und Zitierfähigkeit zu überdenken und sollte sich wohl auch dazu eignen, externe Personen (Studenten, Lektoren, Verleger etc.) zu sensibilisieren. Etwas überrascht war ich, dass das Selbstverständnis, nicht, und zwar „nicht“ und nicht „nur sehr eingeschränkt“, zitierfähig zu sein, in der wikipedianischen Community doch sehr dominiant zu sein scheint.

Recht verstörend für mich waren die im Zuge der Veranstaltung gewährten Einblicke ins Verlagswesen. Da scheinen die Qualitäts- und insbesondere URV-Kontrolle sowie die Abwicklungsmechanismen in der Wikipedia locker mithalten zu können. Manchmal hatte ich das Gefühl, der Podiumsgast aus dem Verlagswesen sei und gebe sich als Fremdkörper in der Diskussion. Die Veranstaltung schien für ihn recht lehrreich zu sein.

HUMOR

Kurzer und kurzweiliger Vortrag von Koenraad, dem Humorwart der deutschsprachigen Wikipedia, zur Humor-Unkultur ebendort. Verstörend, dass trotz der gnadenlos aufgedeckten Humorqualitätsmängel nach wie vor Leute Spaß daran finden, an Wikipedia mitzumachen. Koenraad, ich danke Sie!

Meet the troll, auf Du und Du mit einem vor­malig haupt­be­ruf­lichen Troll

Persönlich glaube ich aus dem Vortrag zwar nicht viel für den Umgang mit Trollen mitgenommen zu haben, da ich nicht an eie homogene Trollmasse glaube, ein interessantes und mit zum Schmunzeln bringendes Meet & Greet war die Veranstaltung aber.

Von En­ten­hau­sen ler­nen, heißt sie­gen ler­nen

Henriette Fiebig referierte in diesem Vortrag über Parallelen zwischen der Wiki-Welt und dem Entenhausen der Barks-„Berichte“, insbesondere über das Schlaue Buch des Fähnlein Fieselschweif. Als jemand, der selbst viele Stunden solche Comics lesend verbracht hat, erlebte ich ein nettes Flashback und einen unaufgeregten anderen Blickwinkel auf Wikipedistik.

Wiki­Porn – Grenz­be­ge­hung zwischen edu­ca­tio­nal value und Por­no­gra­fie

Von diesem Vortrag durch Achim Raschka bekam ich nur die letzten Minuten und Teile der Diskussion mit. Ich denke, dass einige der Kernaussagen dieser Session und meiner eigenen Session recht gut konvergieren.

Nicht-Moti­va­tion in Wiki­pe­dia – und was sonst noch falsch läuft

Auch vom diesem Panel, Teil einer mehrgliedrigen Reihe von Programmpunkten des AndreasPaul, erlebte ich nur den Beginn. Was ich für mich aus dieser Runde mitnehmen konnte, ist, die Zustände der Wikipedia-Community neu zu reflektieren, betreffend die Frage nach Nicht-Motivation muss ich die ausschlaggebenden Momente der Veranstaltung verpasst haben.

Fuck the com­mu­nity, who cares

Nach der ganzen Superprotect-Affäre habe ich mir hier mehr bzw. was anderes erhoffte als eine Debatte ums Geld bzw. Einkaufen. Konsequenz daraus war, dass ich geistig abdriftete und mit gewissem Stolz svg-Karten-Bearbeitungen vornahm. Das Grundproblem, das Ficken der Community, wurde in der Session nicht gelöst.

Wiki­pe­dien in Dia­lek­ten und Min­der­hei­ten­spra­chen

Als wikipedianus emeritus einer kleinen Sprachversion besuche ich solche Vorträge immer mit ein wenig Wehmut, die für mich wichtigen Gespräche zu diesem Thema führte ich in Köln aber schon vor der allerersten offiziellen Session. Highlight dieses Panels war für mich, Einblick ins Wikiversum von Sionnach zu bekommen, der ich hiermit nochmals und das sehr gerne meine Hochachtung ausrichten möchte. Randwikipedien wie auch Randgebiete in großen Wikipedien können sehr deutlich zeigen, wie viel eine einzelne Person ausrichten kann, wenn sie beharrlich ihren Weg geht, und gleichermaßen, wie groß für solche Randprojekte eine aus anderer Perspektive kleine Hürde sein kann. Darum soll man den Rand im Blick behalten, vielleicht kann man doch helfen.

Pack mich in ’ne Schub­lade

Das leidige Kategorienthema also. Viel Neues war für mich nicht dabei, der Vortrag von Matthiasb fasste die Problematik insbesondere anhand der Sportler-nach-Land-Kategorisierungen aber gut zusammen, ohne aber viel mit Lösung der für mich großen Fragen zu tun zu haben.

World­Café – Neu­tral und dis­kri­mi­nie­rungs­frei?

Zugegebenermaßen fürchtete ich mich etwas vor diesem Programmpunkt, weswegen ich ihn ganz zufällig auch nicht pünktlich erreichte, im Nachhinein betrachtet scheint es mir aber eine erfolgreiche Veranstaltung gewesen zu sein. Das Format will ich hier nicht breittreten, dessen Umsetzung auch nicht, sagen will ich, dass ich einige der Ausgangsthesen der Tische sehr gelungen provokant fand, dass die Gastgeber einen tollen Job leisteten und die Debatte erfreulich sachlich und auf Verständnis auch anderer Ansichten achtend war. Das WorldCafé hat Potential zur Sensibilisierung. Leider (?) war manch dicker Brocken nicht in Köln, der etwas Sensibilisierung vertragen könnte.

Helferdienste

Aufgrund meiner Ankunft in Köln am Donnerstag gegen Mittag war es mir möglich, schon beim Aufbau der Veranstaltung mitzuhelfen. Die von mir übernommenen Aufgaben waren zwar nicht besonders spektakulär und Not am Mann war auch nicht unbedingt (was für den Zusammenhalt und das Engagement der Community spricht), waren jedoch gern gesehen. Neben der Beschilderung der Veranstaltungsgebäude und -räumlichkeiten war es vor allem das Befördern von Einrichtungsgegenständen von A nach B und das Einrichten der Salon-Location, wo ich mich einbrachte.

Der ganz normale WikiCon-Alltag

Einmal mehr begeisterte mich das herzliche Miteinander unter den WikiCon-Teilnehmern, dem sich offenbar jeder gerne unterordnete, unabhängig von möglichen Rivalitäten im Editieralltag. Nach meinem Besuch auf der WikiCon 2013 in Karlsruhe ergab es sich nun in Köln, dass ich viele Online-Bekanntschaften ein erstes Mal wieder sah und mit ebenso vielen ein erstes Mal ein Gespräch von Angesicht zu Angesicht führen konnte. Die Konferenz-Pausen, die Zeit beim Frühstück und am Abend auch sonst jede freie Minute boten ausreichend Platz sich mit anderen über verschiedenste Dinge auszutauschen, so zum Beispiel frühere und zukünftige Treffen, Stammtische und Konferenzen, Artikel- und Projektarbeit sowie Vorfälle in der Community bzw. den Communities, in den Chaptern oder in der Foundation, um nur Punkte mit klarem Bezug zum Wiki-Leben anzuführen. Als besonders bereichernd empfand ich, dass ich durch persönliche Gespräche ein besseres Verständnis von den Aufgaben und der Arbeit von Checkuser-Berechtigten, Oversightern, Support-Team-Mitgliedern und einem Ombudsmann gewinnen konnte.

Kurzfazit

WikiCon ist super und zwar für Wikipedianer wie mich als Veranstaltung superer als Wikimania. WikiCon täte gut daran, so zu bleiben, wie sie ist, nämlich brückenbildend und gemeinschaftsfördernd wie sonst kaum was im Wikiversum, was ich erlebt habe. Tut sie dies ansatzweise, möchte ich gerne wieder Teil davon sein und mich dabei wieder einbringen in der einen oder anderen Form, Ideen liegen vor.

Wer noch Fragen an mich zur diesjährigen WikiCon hat, darf diese äußern und berechtigt auf eine Antwort hoffen, das betrifft auch alles Mögliche, was ich in Köln gelernt habe und was andere auch gern lernen möchten, und selbstverständlich meinen Vortrag und die Thematik allgemein.

mfg, Man77 (Diskussion) 22:13, 15. Okt. 2014 (CEST)