Projekte/Wikimania 2019/Berichte

Teilnehmer*innen aus Österreich an der Wikimania 2019, die von 14. bis 18. August in Stockholm stattfand, berichten von ihren Eindrücken und Erfahrungen.

Österrikare vid Stock­holms stads­hus

XanonymusX

Was hat mir die Teilnahme an der Wikimania gebracht?

Nach einem Jahr Pause zog es mich 2019 nun zum zweiten Mal auf die Wikimania. Nostalgische Kindheitserinnerungen, die Erreichbarkeit mit der Bahn und ein verbindbarer Familienbesuch machten die Entscheidung, nach Stockholm zu fahren, leicht. Die Organisation war überzeugend, das Programm vielfältig und die Zusammensetzung der Teilnehmenden in meinen Augen für eine in Europa stattfindende Konferenz sehr ausgewogen. Wie schon 2017 würde ich rückblickend sagen, dass mein größter Gewinn die Denkanstöße im technischen Bereich waren, sei es während des Hackathons, sei es während diverser Kurzvorträge oder Erfahrungsberichte der Entwickler. Zwar beschränkt sich meine technische Arbeit (Vorlagenbastelei, Toolentwicklung, Phabricator-Tickets erstellen) zumeist auf einen sehr engen Bereich, doch die größeren Zusammenhänge im Softwarebereich faszinieren mich ungemein und die entsprechenden Erkenntnisse helfen mir mit Sicherheit auch bei meiner künftigen Wikipedia-Arbeit. Daneben bleiben mir einige angenehm lockere Veranstaltungen wie der Coolest Tool Award und die gelungenen Musikeinlagen beim Empfang und bei der Abschlussveranstaltung sehr positiv in Erinnerung.

Bericht von einer Einzelveranstaltung

Ich hatte in diesem Jahr einen Vortrag zum Wikipedia-Blackout vom März 2019 im Advocacy Space eingereicht (Total Blackout: How Political Activism Challenges the Neutral Point of View); dieser wurde als Lightning Talk innerhalb einer längeren Session (Lightning Talks Advocacy Lightning Talks) am Samstagnachmittag akzeptiert. Dabei habe ich mich bemüht, die teilweise recht heftigen Diskussionen rund um die eintägige Abschaltung der deutschsprachigen Wikipedia als Protest gegen die EU-Urheberrechtsreform kurz aber nachvollziehbar zu illustrieren und möglichst unvoreingenommen in die Runde zu fragen, wie denn in Zukunft in den Wikimedia-Projekten mit derlei Aktionen umgegangen werden solle (ohne dabei allerdings einen Hehl aus meiner strikt ablehnenden Haltung diesem Aktivismus gegenüber zu machen). Die Resonanz war verhalten, kein Wunder bei dem relativ engen Kreis an Anwesenden und der Kürze meines Talks, aber ich konnte mich im Anschluss noch mit mehreren am Thema Interessierten unterhalten, die zwar das Problem sehen, meine Haltung so jedoch nicht teilen. Nicht zuletzt wurde angeregt, dass ich das Thema vielleicht bei der Wikimania 2020 noch einmal in größerem Rahmen vorbringen sollte – aus meiner Sicht sicher überlegenswert, wenn ich auch nicht weiß, ob es für mich logistisch zu schaffen sein wird.

Neben meinem Beitrag ging es in der Session auch um die Herausforderungen, die wachsender Patriotismus/Nationalismus und politischer Extremismus an die Wikimedia-Projekte stellen. Der Kollege aus Taiwan brachte seine Erfahrungen mit offenbar indoktrinierten Benutzern aus der Volksrepublik China vor, die selbst in der Wikipedia hart daran zu arbeiten scheinen, die Standpunkte der Kommunistischen Partei zu verbreiten. Das Thema hätte eigentlich mit dem Talk How Does China See Wikipedia? Debunk China’s Internet Censorship vertieft werden sollen, doch leider konnten die vorgesehenen Vortragenden nicht anwesend sein. Auch ein weiterer Talk fiel kurzfristig aus, wodurch die Session unglücklicherweise etwas chaotisch endete. Trotzdem scheint mit, dass die Talks eine sehr interessante Auswahl an nicht zu unterschätzenden (aktuellen und zukünftigen) Bedrohungen für Wikimedia aufzeigen konnten.

Dromedar61

Was hat mir die Teilnahme an der Wikimania gebracht?

Ich bin mit großer Neugier zu meiner 1. Wikimania nach Stockholm gereist. Sehr angetan war ich vom Tagungsort am Universitätsgelände mit seinen weitläufigen Wiesen und vor allem von der großartigen holzgetäfelten Aula Magna. Hier war bei der Abschlussveranstaltung und nicht nur bei der Rede von Gründer Jimmy Wales das große "Wir" der Community spürbar.

Als schwieriger als gedacht erwies sich die Kontaktaufnahme mit anderen Tagungsteilnehmern, die ich bewusst kennen lernen wollte und deren Gesicht ich nicht kannte. Die an umgehängten Bändern befestigten Tagungsausweise mit häufig nicht sehr groß gedruckten Benutzernamen sind in Bauchhöhe der gesuchten Personen nur schwer lesbar. Als bessere Lösung würden sich hier textile Aufkleber anbieten, die im Brust-/Schulterbereich auf die Kleidung geklebt werden und welche sich rückstandsfrei entfernen lassen. Praktikabel wäre ein Set von ca. 5 Aufklebern je Teilnehmer (um täglich einen Neuen verwenden zu können) evtl. auch mit aufgedrucktem Wappen des Herkunftslandes. - Durch Befragen anderer Teilnehmer konnte ich dennoch alle Gesuchten ausfindig machen.

Sehr positiv empfand ich den respektvollen Umgang der Teilnehmer untereinander, der zeigt, dass die Community gut funktioniert und die oft beklagten Grobheiten auf WP-Diskussionsseiten nur von einem kleinen Teil der User ausgehen. Die Vielzahl der meist parallel stattfindenden Sessions machte mir öfter die Auswahl schwer, zu viele interessante Themen wurden gleichzeitig behandelt. Gezielt besuchte ich einige Vorträge zum Thema Wikidata und "Women in Red", da mir dieses Thema sehr am Herzen liegt und ich in meiner Artikelarbeit versuche, den Gender-Gap auch in österreichbezogenen Personenartikeln zu verringern.

Bericht von einer Einzelveranstaltung

Von großem Interesse ist für mich das Thema "Afrika", dessen Staaten ich aus eigenen Reisen bislang leider nur nördlich der Sahara kenne. Ich trage hier hauptsächlich mit Fotos und als aktiver Mapper bei OpenStreetMap bei. Unter diesem Aspekt besuchte ich das African wikimedians meetup am Abend nach dem Eröffnungsempfang. Hierbei lernte ich Wikipedianer aus Marokko, Tunesien und Algerien, aber auch aus Benin, Nigeria, Sambia und Südafrika kennen, sowie einige weitere interessierte Personen aus nicht-afrikanischen Ländern (FR, CH, DE, US) kennen. Thema des Meetings waren:

  • organisatorische Details der bevorstehenden Wiki-Indaba, die von 8.-10. November 2019 in Abuja/Niger stattfindet.
  • die Restitution afrikanischer Kulturgüter, vorwiegend aus europäischen Ländern. Diskutiert wurde, wie die Community dazu beitragen kann, diesem Thema mehr Gewicht zu verleihen, z.B. durch entsprechende Übersetzung von WP-Artikeln in relevante Sprachen.
  • 'Wiki Loves Africa': es wurde die grundsätzliche Fortführung des Projektes diskutiert und von den Teilnehmern befürwortet. Als mögliches Schwerpunktthema wurde 'Menschen bei der Arbeit' oder 'Transportwesen' vorgeschlagen.

Ergänzend zu diesem Meeting besuchte ich 2 Sessions zum Thema

Diese behandelten u.a. den Einsatz von Offline-Tools zum Arbeiten mit Wikipedia in Schulen oder sonstigen Bildungseinrichtungen. In Marokko musste ich feststellen, dass Wikipedia z.T. auch bei Personen mit eigenem Computer und Internetzugang Wikipedia nicht kennen. In der Diskussion mit einigen Vortragenden wurde mir bestätigt, dass der Bekanntheitsgrad von Wikipedia in vielen afrikanischen Ländern noch sehr gering ist.

Claudia

Bericht einer Einzelveranstaltung: Coolest Tool Award

 
Coolest Tool Award

Heuer gab es eine neue Idee in der Tech-Community: Den sogenannten "Coolest Tool Award". Die Idee ist es, diejenigen vor den Vorhang zu holen, deren Arbeit oft im Hintergrund bleibt, aber oft unerlässlich ist für alle unsere Freiwilligen in ihrer täglichen Arbeit. Nominiert werden konnten Tools und Werkzeuge in verschiedenen Kategorien: Mobile, Newcomer etc. - was auch immer uns das Leben auf den diversen Projekten leichter macht. Da ich persönlich finde, dass die Tech-Community insgesamt mehr Aufmerksamkeit und Wertschätzung verdient, habe ich mich sehr über diese Initiative gefreut und noch mehr darüber, dass mit Simons Locator Tool jemand aus unseren Reihen für seine großartige Arbeit ausgezeichnet wurde! Am Schönsten aber war die Atmosphäre im Raum während der Preisverleihung, der Enthusiasmus, die geteilte Freude und Solidarität - so zeigt sich unsere Bewegung von ihrer schönsten Seite.

Was hat mir die Teilnahme an der Wikimania gebracht?

Ein wichtiger Pfeiler war für mich heuer natürlich die Strategiearbeit und die Präsentation unserer ersten Entwürfe für die Zukunft des Movements. Da konnte ich während unserer Session im Strategy Space zu geplanten Neuerungen der Governancestrukturen einiges mitnehmen, auch wenn im Vorfeld und auch während der Wikimania die Diskussionen leider nicht immer sachlich und konstruktiv abliefen. Wie jedes Jahr stand für mich aber auch der persönliche Austausch im Mittelpunkt: Ich lernte Mirjam als neues Präsidiumsmitlgied von WMDE kennen und tauschte mich mit ihr zum Thema Diversity und Inklusion aus, ich traf mich mit Advocacy Expert*innen aus ganz Europa, um mich zur Transposition der Urheberrechtsreform in den Nationalstaaten abzustimmen, die in den nächsten Monaten ansteht. Ich konnte mich mit Kolleg*innen aus anderen Wikimedia Organisationen zum Thema globale Kampagnen treffen und dabei Vertreter*innen der UN kennenlernen, die hier thematisch mit uns kooperieren möchten. Es hat mich auch gefreut bekannte Gesichter aus Partnerorganisationen zu treffen, die auf eigene Faust nach Stockholm gereist waren, um die Kooperation mit Wikimedia zu vertiefen: Bernhard Krabina vom KDZ - Zentrum für Verwaltungsforschung, der sich von diversen Wikidata-Sessions inspirieren liess das Thema wieder neu im österr. Open Government Data Kreis zu diskutieren sowie Thomas und Bernhard von epicenter.works, unsere engsten Verbündeten im Bereich Advocacy in Österreich. Auch Kooperationen für die nächsten Monaten wurden durch Begegnungen während der Wikimania angestossen oder vertieft: Die LGTB+ Konferenz in Graz im Frühjahr zusammen mit der LGTB+ User Group, evtl. eine gemeinsame Kampagne zum selben Thema mit interessierten Partner-Communities aus Zentral- und Osteuropa, ein mögliches WikiGap Event in der Slovakei und natürlich unser Wikidata@Libraries Event im Oktober.

Manfred Werner

Bericht einer Einzelveranstaltung: Workshop zu Initiativen zur Neulingsgewinnung

 
Encouraging the spirit of new editors
 
Encouraging the spirit of new editors

Eingebettet in eine ganze Reihe von Vorträgen rund um die Gewinnung von und Unterstützung für Neulinge in Wikimedia-Projekten gab es Encouraging the spirit of new editors, über Initiativen, Menschen auf Mitwirkungsmöglichkeiten aufmerksam zu machen ihnen den Einstieg zu erleichtern. Spannend, nicht zuletzt weil das ja auch ein Schwerpunkt meiner vorübergehenden Arbeit direkt bei WMAT ist. Im Workshop fanden wir uns in Gruppen je nach Größe der Sprache oder der Community zusammen, ich gesellte mich zu Dänemark und der Schweiz. Auf großen Post-Its, um es für Alle lesbar zu machen, notierten wir, welche Aktionen wir jeweils im On- und Offline-Bereich durchführen, um Neulinge zu gewinnen und ihnen den Einstieg ins Wikiversum zu erleichtern; in Österreich etwa die KulTouren, Wikiversity, (Beratungs-)WikiDienstage, Wikipedia vor Ort, Workshops und Schreibwerkstätten usw. Interessant war unter anderem auch, welche organisatorischen Probleme anderswo bestehen, etwa durch die sehr dezentrale Struktur in Dänemark, wo es manchmal schwierig ist Wikipedianer zur Betreuung in anderen Landesteilen zu finden; in Ö. stehen wir ja vor einem ähnlichen Problem, nur selten in manchen Regionen und Bundesländern präsent zu sein. Im Offline-Bereich ist WMAT jedenfalls sehr aktiv und gerade Initiativen wie die KulTouren und die Workshops in Kooperation mit anderen Organisationen od. Institutionen stießen auf Interesse.
Das Spannendste, den Blick auf die Ideen und Aktionen in all den anderen Ländern, werde ich in Kürze zusammenfassen und dann bei Gelegenheit gerne auch an einem WikiDienstag oä. präsentieren.

Was hat mir die Teilnahme an der Wikimania gebracht?

 
Aula Magna der Stockholms universitet

Zunächst, wie schon damals in Esino Lario und wie es zum Wesen der Wikimanias gehört, das Treffen mit Teilnehmer*innen aus aller Welt. Oft ist es eher Small Talk, manchmal aber auch ein mehr in die Tiefe gehender Austausch über die Herausforderungen, die Frage- und Problemstellungen, auf die man in der Mitwirkung bei Wikipedia und all den weiteren Wikimedia-Projekten stößt. Generell ist es gut und schön zu sehen und zu erleben, wie viele Menschen in all den verschiedenen Bereichen aktiv und sehr engagiert sind – und wie freundlich, offen und interessiert der Umgang miteinander ist.
Schade war, dass die Teilnahme an der Postersession (Präsentation der Zusammenarbeit von WMAT, WMCH und WMDE bei der Freiwilligenförderung) an last-minute-Komplikationen und letztlich daran scheiterte, dass ich (zu meiner Überraschung) in ganz Stockholm keinen Print Shop finden konnte, der innerhalb von 1 oder 2 Tagen einen A1-Poster ausdrucken würde. Die Lektion: Besser vorbereiten und mehr Zeitpolster für Unvorhergesehenes lassen. Diese Suche, on- und offline, hat leider auch meine Planung zum Besuch div. Sessions durcheinandergewirbelt, weshalb ich an weniger als eigentlich vorgenommen teilnehmen konnte.
Sehr interessant war ein Meetup zum Umgang mit Extremismus bzw. Extremisten. Mein Ansatz war zwar eher der des Wikipedia-Autors, als der ich auf derartiges stoße, und in der Session stand dann aber die Frage im Zentrum, wie Wikimedia als Organisation, die Chapter und User-Groups, damit umgehen sollen, in Treffen mit Politik und Regierungen mitunter Vertretern extremistischer Parteien gegenüberzusitzen. Die eine von allen akzeptierte Lösung (Ignorieren, auf Sachebene miteinander reden ...) gab es nicht, aber die Erkenntnis, dass das Problem in anderen Weltgegenden außerhalb Europas noch deutlich schärfer als in unseren Breiten ist.
Von ganz praktischer Relevanz war die Session zu Dashboard, Event Metrics & Co., also Werkzeugen, die bei der Planung, Betreuung und Auswertung von Workshops uä. helfen können. Das sollte sich in Zukunft gut nutzen lassen.

Flughund11

Bericht von einer Einzelveranstaltung: Interwiki Women Collaboration, a cross-wiki global campaign

Geplant hatte ich Veranstaltungen zum Thema Glam zu besuchen. Gelandet bin ich hauptsächlich beim Themenschwerpunkt Diversity. Eine Veranstaltung dazu war Interwiki Women Collaboration, a cross-wiki global campaign. Schwerpunkt des Vortrags der Italienerin Camelia Boban und der Armenierin Arminé Aghayan war das Thema Sprache, die Übersetzung von Frauenbiografien in anderssprachige Wikipedia. Oft werden in der Wikipedia Artikel über wichtige Frauen nur in deren Landessprache geschrieben, nicht aber in anderen Sprachen. Um den Bekanntheitsgrad und die globale Präsenz von Frauen zu steigern, wäre es wichtig deren Bedeutung in verschiedenen Sprachen aufzuzeigen. Das Projekt dient auch dazu, die kulturelle, geografische und sprachliche Vielfalt umfassend darzustellen. Vor allem sollen Frauen ermutigt werden, sich aktiv einzubringen um die Kluft zwischen den Geschlechtern zu minimieren. Ähnlich zum Projekt „Women in Red“ sind die Namen der Artikel, die in anderen Sprachen geschrieben werden sollen, in Listen angeführt. Zur Zeit sind nur Übertragungen in den Sprachen Italienisch, Armenisch, Spanisch, Französisch und Arabisch geplant. Interessant fand ich, dass Deutsch (noch) nicht angeführt ist. Durch die sofortige Intervention einiger deutschsprechender Frauen soll die Sprache Deutsch noch ergänzt werden. Um Nägel mit Köpfen zu machen, wurden gleich nach der Veranstaltung Artikel über je 25 Frauen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz zur Übersetzung vorgeschlagen.

Zum Thema Diversity habe ich weitere Veranstaltungen und Lightning-Talks mit dem Schwerpunkt Frauen und Gendergap besucht. An den Impulsvorträgen gefiel mir vor allem die Vielfalt der Themen über die in sehr kurzer Zeit referiert und diskutiert wurde.

Was hat mir die Teilnahme an der Wikimania gebracht?

Nach der Teilnahme an der deutschsprachigen Wikicon in St. Gallen wollte ich wissen, wie sich diese Konferenzen auf internationaler Ebene abspielen. Über 800 TeilnehmerInnen, die große Anzahl an Vorträgen, Impulsvorträgen und Workshops, sowie die vielen Abendveranstaltungen haben mich beeindruckt. Überrascht war ich über die vielen TeilnehmerInnen von anderen Kontinenten. Deren Arbeit bringe ich größte Hochachtung entgegen, da die AutorInnen aus zum Beispiel afrikanischen Ländern doch mit größeren Problemen (Internetzugang, Bekanntheitsgrad der Wikipedia) und Widerständen zu kämpfen haben als wir. Diese Erkenntnis eröffnete mir eine neue Sicht auf manche Probleme anderer.

Interessensbezogen konnte ich mein Wissen zu „Women in Red“ und zum Thema Diversity erweitern. Erfrischende Gespräche ergaben sich oft im Vorübergehen auf dem Weg zu den Veranstaltungen. Manchmal blieb es beim flüchtigen Small Talk, aber oft entwickelte sich doch ein reger Gedankenaustausch. Die Plakatpräsentation empfand ich als sehr gelungen, da die Anliegen der Gruppen optisch gut aufbereitet waren und zu Diskussionen anregten.

Die Wikimania war sehr gut organisiert und die logistischen Abläufe durchdacht. Zum Thema Nachhaltigkeit hat mir gefallen, dass bei den Wasserspendern keine Wegwerfbecher zur Verfügung standen, sondern jede/r TeilnehmerIn eine Trinkflasche erhielt, die sie/er nachfüllen konnte. Und - dass gedruckte Tagungsunterlagen nicht unbedingt notwendig sind. Etwas vermisst habe ich vor allem Wegweiser zu den Veranstaltungsräumen in den einzelnen Gebäuden. Wobei - der Veranstaltungsort, die herausragende Architektur der Aula Magna und der natürliche Freiraum um die Universitätsgebäude haben mir sehr gefallen.

Simon04

Bericht von einer Einzelveranstaltung

Am Sonntagnachmittag besuchte ich im letzten Block der Wikimania 2019 den Workshop Portrait photography photo booth, der von Ailura und Martin Kraft veranstaltet wurde. Wie so oft auf Konferenzen mit parallelen Tracks hat man die Qual der Wahl – gleichzeitig fanden nämlich auch die Veranstaltungen Wiki LGBT+ meetup, Updating the desktop experience und der Hackathon Showcase statt, an denen ich allesamt gerne teilgenommen hätte.

Zurück zum Fotografie-Workshop: Ailura (und das WM:AT-Team) schleppten aus Österreich eine Blitzanlage an. Zwei Softboxen wurden vor dem Standpunkt der zu fotografierenden Person platziert. Der Standpunkt wurde mit Klebeband am Boden markiert. Eine geeignete Körperhaltung vermeidet Falten im Kinnbereich. Mit einem Make-up-Papier werden glänzende Stellen auf Stirn und Nase vermieden. Im Anschluss berichtete Martin Kraft den organisatorischen Ablauf, um Portraits von allen Parlamentariern eines Landtages/Bundestages/Nationalrats anzufertigen. Er empfiehlt ein eingespieltes Fototeam aus mindestens zwei–drei Personen und gewisser Redundanz im Equipment (zwei Kameras, mehrere Akkus, Speicherkarten). Pro Abgeordneter sind etwa fünf Minuten zu veranschlagen. Einige Personen wollen direkt im Anschluss oder im Büro die Fotos vor der endgültigen Freigabe anschauen. Die Veranstaltung wurde mit einer Demonstration der Foto-Nachbearbeitung in Adobe Lightroom abgeschlossen. Währenddessen nutzten einige Wikimanianer* die Gelegenheit sich fotografieren zu lassen.

Was hat mir die Teilnahme an der Wikimania gebracht?

 
SJ X2000, der schwedische Hochgeschwindigkeitszug

Für eine (nicht ganz so) unkonventionelle Reise – insbesondere aus persönlichem Interesse am Thema – entschied ich mich für eine An- und Abreise per Zug: Innsbruck–München–Hamburg–Flensburg–Frederica–Kopenhagen–Malmö–Stockholm–Göteborg–Kopenhagen–Rødby–Puttgarden–Hamburg–Innsbruck. Alle Verbindungen klappten wie geplant und stieg entspannt am Dienstagmorgen aus Nachtzug in Innsbruck aus und spazierte in die Arbeit.

Das reichhaltige Veranstaltungsprogramm bestehend aus Vorträgen und Workshops macht nur einen Teil der Erlebnisse auf einer Konferenz aus. Ich genoss es, während der Wikimania viele bekannte Personen zu treffen, die ich bereits auf früheren Wikimedia-Veranstaltungen getroffen habe. Genauso schön war es mit neuen Menschen ins Gespräch zu kommen und persönliche . Genannt seien Abdeaitali, dem ich während des Hackathons half, die Denkmallisten von Marokko aus Wikidata zu befüllen, und einige Softwareentwickler von WMF mit denen ich spannende Gespräche über MediaWiki führte. Vor ein paar Wochen in Prag fand ich Anschluss an Wikimedia Untappd, mit denen ich in Stockholm an die vierzig verschiedene Biere verkostete. Bei jeder Veranstaltung aufs neue faszinieren mich die Energie und Hingabe aller Teilnehmer aus aller Weit. Nach drei bzw. fünf Tagen ging die Wikimania – wie jedes Mal viel zu früh – mit einem tollen Ausklang im Nordischen Museum zu Ende.

Ergebnisse des Hackathons

 
Wikimania Hackathon

Im Rahmen der Preconference am Mittwoch und Donnerstag nahm ich am Wikimania Hackathon teil. Neben zahlreichen anregenden Gesprächen beschäftigte ich mich mit dem einen und anderen MediaWiki-Softwareprojekt und reichte einige Patches via Gerrit ein:


Andrea

Was hat mir die Teilnahme an der Wikimania gebracht?

Die Veranstaltung war gut organisiert und die Förderabwicklung durch Wikimedia Österreich war wie immer hervorragend. Durch die papierlose Konzeption hatte ich einige Probleme, rechtzeitig in die richtige Session zu finden, aber durch die vielen verpassten Veranstaltungen war die Tagung insgesamt entspannter als in den Vorjahren.

Die Sustainable Development Goals, die das Thema der Veranstaltung bildeten, waren mir vorher nicht im Detail bewusst und werden mir sicher auch weiterhin im Gedächtnis bleiben.

Ansonsten ist mir persönlich erst in Stockholm aufgefallen, wie wenig ich mit der aktuellen österreichischen Community zu tun habe. Dafür hatte ich viel Zeit, um alleine Fotos zu machen.

Die Strategieentwicklung sehe ich eher kritisch. Vor allem gemeinsame Vereinsziele der Chapter werden unseren Verein einiges an seiner Eigenständigkeit kosten. Die Wikipedia, die sich aktuell entwickelt, ist eine maschinenlesbare Müllhalde von Datenschnipseln, die sich irgendwie selbst pflegen sollen. Das ist nicht das Projekt, so wie ich es leben möchte.

Bericht von einer Einzelveranstaltung

Ich habe die klare Struktur der Tagung in den Spaces genutzt, um möglichst viele unterschiedliche Themen zu sehen. Ich habe Neues über Structured Data, Offline-Wikipedias in afrikanischen Krankenhäusern, die Klimaschutzbemühungen innerhalb der Foundation und natürlich über Multimedia und Fotografie gelernt.

Einer der Vorträge, die ich im „Research Space“ besucht habe, war „The role of Wikimedia in the AI ecosystem“ von Diego Saez Trumper. Ich hoffe, meine laienhafte Zusammenfassung ist nicht allzu peinlich. Beim Maschinellen Lernen verbessern Computerprogramme ihre Leistung im Lösen von Aufgaben durch Erfahrung. Dabei finden sie Möglichkeiten zur Kombination von Daten aus Beispielen. Daten müssen gefiltert und aggregiert werden.

Wikipedia ist dabei das Wörterbuch der künstlichen Intelligenzen, da es sich um eine große Menge von hochqualitativem Text in zahlreichen Sprachen handelt. Daneben wird die Erkennung von benannten Objekten durch Information über Menschen oder Orte und die Verbindung von Entitäten zueinander genutzt, aktuelle Relevanz von Ereignissen bewertet und Bilder können für Maschinelles Sehen genutzt werden. Das menschliche Wissen wird in Information verwandelt, die Maschinen konsumieren können.

Vor allem aber ist Wikipedia für viele Faktencheck- und Verifizierunssysteme die grundlegende Wahrheit, gegen die alle Angaben geprüft werden.

Obwohl Diego sich bemüht hat, das Thema sachlich und awsome darzustellen, empfinde ich diese Entwicklungen als bedrohlich. Zumindest mit der Abschlussfolie war ich einverstanden: Daten sind Macht, daher müssen sie frei bleiben.

Shikeishu

Bericht von einer Einzelveranstaltung

Im Rahmen meiner Funktion als aktives Mitglied der Wikimedia LGBT+ User Group wurde ich von den Organisatorinnen und Organisatoren der Wikimania gefragt, ob ich auf einem Panel von Wikipedianerinnen und Wikipedianern im Rahmen der Spotlight-Session Free Knowledge and the Sustainable Development Goals gleich am ersten Konferenztag sprechen könne. Gemeinsam mit Community-Mitgliedern aus Argentinien, Taiwan und Nigeria sprach ich über die Zusammenhänge von unserer Arbeit auf Wikimedia-Projekten und den UN-Zielen der nachhaltigen Entwicklung. Ich habe über die Notwendigkeit der Einbindung queeren Wissens in unsere Projekte gesprochen, um tatsächlich inklusive Bildung für alle (SDG 4) klarzustellen oder auch etwa um Wissen zu sexueller Gesundheit für queere Menschen verfügbar zu machen (SDG 3). Die Spotlight-Session wurde aufgezeichnet und ist hier auf YouTube verfügbar (ich spreche ab 2:53:15). Die Session soll auch vom schwedischen Fernsehsender Utbildningsradion ausgestrahlt werden.

Vor unserem Panel gab es einige Reden und Präsentationen von Aktivistinnen und Aktivisten sowie Forscherinnen und Forschern. Die spannendste davon war meiner Meinung nach von Liv Inger Somby, die über indigenes Wissen aus der Perspektive der schwedischen und panskandinavischen Sami-Gemeinschaft sprach. In ihrer durchaus kritischen Rede hat sie klargestellt, dass Schweden noch einiges an nachhaltiger Entwicklung zu tun hat, um indigene Sprachen im eigenen Land zu schützen und zu bewahren. Wikimedia kann dazu einen wichtigen Beitrag leisten.

Was hat mir die Teilnahme an der Wikimania gebracht?

Das war meine vierte Wikimania und jedes Jahr werden mir meine eigene Rolle und meine Möglichkeiten auf dieser Konferenz stärker bewusst. Für mich sind weniger die Präsentationen relevant, sondern die Meetups und informellen / spontanen Treffen.

Mein Fokus lag, wie letztes Jahr, wieder auf dem Aufbau und der Bewerbung der LGBT+ User Group. Dieses Jahr haben wir sogar zwei Meet-ups organisiert, um zeitliche Überschneidungen vorzubeugen und trotzdem möglichst viele Menschen über die wichtigen Inhalte der User Group sprechen lassen zu können. Ich habe beide Meetups koordiniert und gestaltet. Beim ersten Meet-up am Freitag haben wir beschlossen, die erste Konferenz der User Group 2020 in Linz stattfinden zu lassen (unter dem Namen Queering Wikipedia). Beim zweiten Meet-up am Sonntag - dank der Unterstützung von Wikimedia Schweden war es das erste Mal, dass ein LGBT-Meetup im regulären Konferenzprogramm stattfand - habe ich die Methode "Silent Discussion" angewandt, um in der geringen Zeit des Meet-ups möglichst viele Menschen zu möglichst vielen Themen sprechen zu lassen. Das war für ein Wikimania-Meet-up ein recht ungewöhnliches Format, kam super an und hat dazu beigetragen, dass einige Menschen sich seit der Wikimania in der User Group beteiligen. Wichtig war in dem Kontext auch, dass ich mich am Sonntag gemeinsam mit einem anderen Mitglieder der User Group mit Mitgliedern des AffCom getroffen habe, um über die Gegenwart und die Zukunft der User Group zu sprechen.

Und ein Detail am Rande: Super fand ich, dass bei der Konferenz das Thema Nachhaltigkeit zumindest vorkam. Ich war nicht so begeistert davon, dass die Konferenz als "carbon-neutral" bezeichnet wurde, wenn ein Großteil der Teilnehmenden mit dem Flugzeug zur Konferenz reisen. Wir haben noch einen weiten Weg vor uns, um eine tatsächlich nachhaltige Wikimania zu organisieren, denke ich. Wichtig fand ich in dem Kontext, dass die schwedische Fridays-for-Future-Bewegung zu Wort kam in einem Vortrag und in diesem erklärt hat, was Klimagerechtigkeit mit freiem Wissen zu tun hat. Die Diskussion danach war auch sehr spannend und ging tiefer, was wir als Wikimedia-Community machen könnten, um selbst nachhaltiger zu werden.

Vielen lieben Dank für mein Stipendium und für eure großartige Unterstützung, WMAT! <3