Projekte/Wikimania 2015/Berichte
Berichte von WMAT-Stipendiaten und -Mitarbeitern zur Wikimania 2015 in Mexiko.
Alex
Bericht von einer Einzelveranstaltung
Kurzes Statement zur Wikimania insgesamt
Beppo
Bericht von einer Einzelveranstaltung
Kurzes Statement zur Wikimania insgesamt
Claudia
Bericht von einer Einzelveranstaltung
Am Donnerstagnachmittag der Pre-Conference veranstaltete WMAT zusammen mit zwei Trainern der simplehow foundation den zweiten gemeinsamen Workshop für die Konzeption von Erklärvideos. Im Gegensatz zu unserem Pilotworkshop im Januar in Stuttgart mit einer bunten Mischung aus Wikimedianern und Neulingen, hatten wir diesmal ein internationales Publikum aus 100% Wikimedianern – darunter Teilnehmer aus Argentinien, den USA, den Niederlanden, Finnland, Schweden und Deutschland. Es gab reges Interesse an unserem Workshop und so konnten trotz zahlreicher Parallelveranstaltungen den Raum bis auf den letzten Platz füllen. Pünktlich zu unserem Workshop konnten wir auch endlich das erste fertige Erklärvideo aus unserem Pilotworkshop präsentieren.
Das Feeback zur Veranstaltung war auch in Mexiko City wieder sehr positiv – nahezu alle Teilnehmer hatten bereits erste Ideen für ein eigenes Video und die Vertreter von WMNL möchten sogar einen eigenen Workshop im Rahmen der niederländischen WikiCon veranstalten. Darüber hinaus wurde der Workshop auch als interessante und wohltuende Abwechslung zum sonst gängigen Konferenzprogramm wahrgenommen – statt Frontalbeschallung konnte man selber aktiv und vor allem kreativ werden. Insofern sind wir hoffnungsfroh, dass der Workshop sein Ziel erreicht hat, erste Freiwillige für ein internationales Wikimedia Netzwerk von Erklärvideo-Autoren zu gewinnen. Wir sind bereits gespannt zu sehen, wie sich die Nachbereitung im Vergleich zu unserem Pilotworkshop gestalten wird – auch um daraus Schlüsse für die weitere Gestaltung des Projekts und der Kooperation zu ziehen.
Probleme bzgl. des Commons Accounts der simpleshow foundation konnten dank Ralfs Unterstützung ebenfalls vor Ort in Mexiko gelöst werden. Ein Dank gilt neben Ralf auch den der simpleshow foundation, die weder Kosten noch Mühen gescheut hat, um den Workshop in Mexiko möglich zu machen und neben dem Workshop zusätzlich gemeinsam mit Manuel Schneider eine Session zum Thema Videoprojekte im Hauptprogramm mitzugestalten. Interesse an einer Fortsetzung im nächsten Jahr in Esino Lario gibt es bereits seitens aller Beteiligten (simpleshow, WMAT und Esino Lario Team).
Kurzes Statement zur Wikimania insgesamt
Diese Wikimania war für mich gekennzeichnet durch extreme Höhen und Tiefen: Noch nie war das Programm so schwach und noch nie der Austausch am Rande so intensiv und produktiv.
Was das Programm angeht, so war reichte die Problematik von handwerklichen Problemen (Sessions für die selbe Zielgruppe wurden parallel veranstaltet und kannibalisierten sich, der Sonntagnachmittag wurde mit viel toter Zeit quasi vergeudet, hier wäre sich noch locker ein einstündiger Slot ausgegangen) bis hin zu mäßig interessanten Sessions, die entweder mehr versprachen als sie hielten oder von vorneherein inhaltlich bereits wenig spannend waren. Immerhin wird das Problem mittlerweile gemeinhin als solches erkannt und erste Ansätze für Verbesserungen wurden bereits am Rande der Konferenz diskutiert. Natürlich gab es Ausnahmen, wir z.B. der viel gelobte und mutige Beitrag von Guillaume, der nun auch als Blogbeitrag aufbereitet ist und dessen Lektüre ich nur wärmstens empfehlen kann. Eine besondere Auszeichnung für WMAT war, dass wir mit dem Eurovision Song Contest auch dieses Jahr wieder in die Auswahl für die „Coolest Projects“ aufgenommen wurden, auch wenn wir es diesmal leider nicht unter die Top 3 geschafft haben. Dafür durfte ich auf dem Panel über unsere Erfahrungen für coole Projekte berichten. Wiki Loves Cheese war wie erwartet der überragende Favorit.
Der Austausch war vor allem bzgl. des Themas EU Advocacy überaus produktiv – nach den jüngsten Entwicklungen hinsichtlich Freedom of Panorama & Co. aktueller und wichtiger denn je. Nicht nur durch die Anwesenheit von Julia Reda – v.a. auch durch engagierte Freiwillige wie unsere WMATler Dimi oder Thomas, konnten sich die europäischen Chapter und die EU Advocacy Group gut gegenüber der Foundation positionieren. Eine gute Basis für ein konstruktives Miteinander auf Augenhöhe in den kommenden Monaten.
Ebenfalls spannend war für mich der Austausch mit einigen der neu gewählten FDC Mitglieder, die noch einen frischen Blick auf den Prozess haben und durchaus ein offenes Ohr für unsere Anliegen und Verbesserungsvorschläge haben. Auch wenn sie letztlich nicht über die Ausgestaltung des FDC Prozesses entscheiden, sind sie doch wichtige Verbündete, deren Stimme Gehör findet, wenn es Veränderungen geht.
Michi
Bericht von einer Einzelveranstaltung
Kurzes Statement zur Wikimania insgesamt
Raimund
Bericht von einer Einzelveranstaltung
Ich berichte von der 30-minütigen Session 50 Shades of Wiki: New Tools to Share, Remix and Reuse von Dario Taraborelli, dem Leiter der Abteilung “Research” der Wikimedia Foundation, und Moiz Syed, seines Zeichens “User Experience Designer” bei der Wikimedia Foundation. Besucht habe ich die Veranstaltung, weil ich konkret und atmosphärisch erfahren wollte, was sich in Sachen technischer Weiterentwicklung bei der Foundation so tut.
Vorgestellt wurden u. a. die neue mobile App “Share-a-fact”, die schon breiter kommuniziert wurde, außerdem das mir bis dahin unbekannte neue Beta-Feature “Gather”, mit dem man (ähnlich der Wikipedia-Buchfunktion) eigene Sammlungen von Artikeln außerhalb des ANR “kuratieren” kann. Für diese Entwicklungen wurden zwei Begründungen genannt. Erstens bieten wir zwar von unserer Lizenzierung her die Möglichkeit, Inhalte abzuwandeln und weiter zu teilen, es gibt von Wikimedia-Seite aber bisher kaum technische Angebote, das auch zu tun. Zweitens geht der Trend bei der Internetnutzung hin zu sozialen Netzwerken. Die Internetnutzer würden nicht selbst Inhalte produzieren wollen, wohl aber verstärkt Inhalte remixen und sharen. In Hinblick auf diese Trends müssten technische Erweiterungen geschaffen werden, die verhindern, dass Wikipedia den Anschluss verliert.
Mein Eindruck war, dass die Strategie dahinter ist, die hohen Zugriffszahlen auf unsere (veränderten) Inhalte unbedingt zu erhalten. Dies hat mit der Zusammenstellung und Vermittlung von freiem Wissen, wie sie von der Wikipedia betrieben wird, nur noch wenig zu tun. Anstelle von Objektivität tritt Subjektivität und Enzyklopädieartikel werden durch Wissensschnipsel ersetzt. Wie klug es auch sein mag, den Anschluss an die Zukunft nicht zu verlieren, sehe ich darin die Gefahr, dass die Kluft zwischen Entwicklerseite (Foundation) und Autorenschaft (Community) weiter aufgeht.
Kurzes Statement zur Wikimania insgesamt
Die Sessions, die ich selbst zum Thema Freiwilligenunterstützung geleitet habe, waren von Beginn an so angelegt, dass ich mit dem gewonnenen Input gut weiterarbeiten kann. Das hat sich auch schon während der Wikimania gezeigt, wo ich einige intensive und tiefgehende Gespräche zum Thema geführt habe, und zwar mit Menschen, die ich sonst nicht so einfach persönlich treffen kann. Einander zum Austausch gegenübersitzen zu können hat noch einmal eine andere Qualität als Telefonkonferenzen oder E-Mail-Verkehr.
Ich habe einige Leute kennengelernt: neue Kontakte aus aller Welt einerseits, was sehr dabei hilfreich dabei ist, die Binnensicht der deutschsprachigen Wikipedia anderen Zugängen gegenüberzustellen; andererseits auch Benutzer, berühmte deutsche Wikipedianer zum Beispiel, die ich sowieso schon lange persönlich treffen wollte. Gemeinsam mit den österreichischen Wikipedianern in einer fremden Stadt unterwegs zu zu sein - auch wenn man sich nur manchmal am Abend oder beim Essen über den Weg läuft - war auch ein Erlebnis, das mir persönlich viel gebracht hat.
Bei den kurzen Timeslots bei der Wikimania (in der Regel 30 Minuten) funktionierten die Sessions am besten, bei denen sich Impulsvortrag und Diskussionszeit ungefähr die Waage gehalten haben. Die Sessions, die ich besucht habe, waren von unterschiedlicher Qualität. Ich finde es aber wichtig, dass bei der Wikimania auch Wikimedianer zu Wort kommen können, von denen nicht alle begnadeten Vortragende sind.
Thomas Ledl
Bericht von einer Einzelveranstaltung
Kurzes Statement zur Wikimania insgesamt
Thomas Lohninger
Bericht von einer Einzelveranstaltung
Kurzes Statement zur Wikimania insgesamt
Ralf
Bericht von einer Einzelveranstaltung
Kurzes Statement zur Wikimania insgesamt
Man77
Bericht von einer Einzelveranstaltung
Auch wenn ich die kritischen Worte in Bezug auf die Featured Speakers, die etwa auf der Kurier-Diskussionsseite in der deutschsprachigen Wikipedia geäußert wurden, zu einem guten Teil nachvollziehen kann, waren diese für mich neben den reallifewikipedianischen zwischenmenschlichen Erlebnissen eines der Highlights dieser Wikimania und ein besonderer Grund zur Vorfreude war, mit Néstor García Canclini jemandem zu begegnen, mit dessen Thesen ich mich im Zuge meines Studiums schon beschäftigt hatte. Warum mir diese Programmschiene zusagte, hatte diverse Gründe: Einerseits gaben die spanischsprachigen Redner der Wikimanía einen lateinamerikanischen Touch, andererseits wirkten sie kompetenter und ihre Analysen überlegter als die so mancher technikentwickelnder Foundation-Insider, und schließlich erschien Wikipedia hier als die Medien- und Wissensplattform, die sie ist, und nicht als ein Softwareprodukt, das irgendjemand gerne hätte. Letztlich sagen mir Community-Panels und Wikipedistik, sei sie intern oder extern motiviert, einfach mehr zu als die gefühlt selben technischen Vorhabensbeschreibungen wie vor zwei Jahren.
Näher eingehen möchte auf Carlos Alberto Scolaris Beitrag Wikipedia and the new media ecology (Sa, 09:00-09:45), das Vorprogramm zum Beitrag García Canclinis, das jenen aber hinsichtlich der geschilderten Inhalte und der Darstellung locker in den Schatten stellte. Scolari sprach über die Diversifizierung der Medienlandschaft und die Veränderung der Medien an sich. Waren Medien früher so ausgelegt, dass einer (oder wenige) viele erreichte, sind es heute Netzwerke, wo viele zu vielen sprechen. Mit einer Explosion der Medien gehe auch eine Art Massenaussterben einher, viele Medien können sich nicht dauerhaft etablieren und verschwinden schnell wieder. Diese veränderte Medienwelt sieht so aus, dass manche Medien in ihrem Funktionsumfang nur sehr klein sind (whatsapp…), wodurch – Scolari nannte den Begriff „snack culture“ – unsere „media diet“ sich aus vielen Medien zusammensetzt, wir aber in jedem einzelnen Medium nur mehr wenig Zeit verbringen.
Wikipedia nannte Scolari als ein Beispiel eines „prosumer“-Mediums, in dem Produzenten und Konsumenten nicht klar voneinander unterschieden werden können, und als beste Verkörperung des von Ted Nelson konzipierten Hypertext. Wikipedia habe widerlegt, dass Webseiten nicht aktiv verändert werden können, habe sich als stärkster Non-Profit-Player in der Medienökologie etabliert und sei selbst Teil eines Netzes verschiedener Projekte (Commons, Wiktionary etc.). Gleichermaßen verkörpert Wikipedia die These, dass der Inhalt eines neuen Mediums stets ein altes Medium ist. Medien, die überleben wollen, müssen sich anpassen: Diese Evolution begünstigt wiederum das Entstehen von hybriden Formen, was man in unserem Wikiversum durch das Wikidata-Game bestätigt sehen kann.
Was habe ich mitgenommen? Ich habe erfahren, dass es in den Universitäten dieser Welt Menschen gibt, die sich aus wissenschaftlichem Interesse mit „uns“ beschäftigen und daraus ganz interessante Schlüsse ziehen. Wikipedia als Phänomen einer Medienevolution, einerseits Teil eines größeren Ganzen, andererseits ein eigenes Kapitel. Normalerweise steigt mein Blutdruck merklich an, wenn Wikipedia mit Facebook in einem Atemzug genannt wird und wenn dem Weiterentwicklungsfetisch gefrönt wird. Wenn man es wie Scolari zu verpacken und abzuwägen versteht, schaut die Welt ganz anders aus.
Lobend erwähnen möchte ich an dieser Stelle auch Salvador Alcántars Beitrag zur Kolonialität der Macht (Folien) und die Diskussionsrunde zu Konfliktbewältigung und POV-Autoren, meine erste Wikimania-Veranstaltung, bei der es um Erfahrungsaustauch zwischen Communitys ging. Detail am Rande: Da lag ein wenig Esino Lario in der Luft. Das kann ja was werden :-)
Kurzes Statement zur Wikimania insgesamt
Mexiko, Land wie Stadt, erwies sich in meinen Augen als würdiger Veranstaltungsort, als Ort einer faszinierenden kulturellen Dichte und Historie mit nicht zu verleugnendem, gewissen aufklärerischem Charme (Best Practice: der Tunnel der Wissenschaft, ein Origami-Workshop und eine Ausstellung der „Nationalen Gehirn-Bank“ innerhalb der U-Bahn-Station La Raza), Wikimedia México mit seinen Projekten und Kollaborationen als würdiger Gastgeber und auch das Hilton als passender als gedacht, auch wenn ich nicht ganz gutheißen kann, dass man eine Wikimania an ein „fremdes Land“ im globalen Süden vergibt um dann erst bei einer Kette aus dem Herzen des globalen Norden zu tagen. Es war eine Wikimania der kurzen Wege mit tollem Catering und sehr engagierten Voluntarios in einer Umgebung, die so eine Veranstaltung nahezu problemlos bewältigen kann. Im Vergleich zu 2013 zeigte sich Wikimania sowohl um vieles professioneller als auch um vieles klotzender. Ob das die Zukunft von Wikimania ist, wird die Geschichte zeigen, nicht aber Esino Lario, das ich aus mehreren Gründen als mir genehme Zäsur prognostiziere.
Wikimania ist nicht WikiCon. Wikimanía 2015 war für meine Begriffe eine Veranstaltung mit Schwerpunkt auf Entwicklung, internationale Großprojekte und Kollaborationen – Dinge also, wegen derer ich notorischer Individualist normalerweise nicht mein warmes Bett verlassen würde. Erfahrungsaustausch zwischen Communitys zu Themen wie Inhaltserstellung und -wartung und Konfliktbewältigung spielten gegenüber technisch unterstützter Inhaltsübersetzung und neu designter Diskussionssoftware eine Nebenrolle, aber ja, diese Nebenrolle spielten sie versteckt in den Nebenräumen in mancher Nische des Programms mit Würde und Aussicht auf mehr. Generell wurde „Community“ zu einem Begriff, den jeder gern in den Mund nahm, wohl auch, um sich, seiner Position und seiner Aussage eine gewisse Legitimität zuzudichten, doch scheint mir erstens so mancher und manche eine ziemlich andere Definition von Community und Community-Angelegenheiten zu haben als der Verfasser dieser Zeilen (Beleg: viele der „Community“-Programmvorschläge und -Veranstaltungen) und andererseits vermisse ich immer noch das Bekenntnis, dass in der Vergangenheit Fehler gemacht wurden, weswegen erst man nun offenbar, indem man „Community“ zum Buzzword verzerrt, eine Kursänderung vornehmen musste. Superprotect, die Benutzerprofile, die Attribution- und Bildrechte-Geschichte für Social Media und andere Konfliktsituationen der vergangenen zwölf Monate blieben unerwähnt. Positiv im Gedächtnis habe ich da Jimbo Wales’ Erkenntnis, dass das Publikum bei seiner Rede zur Lage des Wikis mehr über Wikipedia wisse als er selbst. Auch seine Entscheidung, den Wikipedianer des Jahres in pectore zu ernennen, darf gerne zur Tradition werden.
Unsicher bin ich mir offen gestanden, was mir die Teilnahme selber gebracht hat: Negative Auswirkungen auf meinen Arbeitsschwerpunkt zur politischen Geographie Mexikos wird sie nicht haben, auch habe ich wieder einige nette und interessante Leute kennengelernt, was meiner Motivation nicht abträglich sein wird. Auch hat es mich gefreut, bestimmte Menschen wiederzusehen, doch trotzdem hatte das Netzwerken, Kontakte-Knüpfen, -Pflegen und Kennenlernen einen geringeren Umfang als gedacht. Auch hinsichtlich der Arbeit der Foundation und der diversen Chapter und Usergroups fühle ich mich jetzt nur unwesentlich besser informiert als vor der Wikimania. Zumindest ist der Funke Hoffnung auf eine Wiederannäherung zwischen grob gesagt Foundation einerseits und dem Kern der ehrenamtlich Beitragenden andererseits nun etwas gefestigter, auch wenn es nach wie vor ein Funke und keine lodernde Flamme ist. Und mir wurde das Gefühl vermittelt, dass Esino Lario was nach meinen Geschmack werden könnte. Man77 (Diskussion) 19:46, 29. Jul. 2015 (CEST)