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Bericht: AdaCamp Berlin 2014
Am Wochenende des 11. und 12. Oktober hatte ich die Möglichkeit, am AdaCamp Berlin, dem ersten durch die Ada Initiative organisierten Barcamp in Europa, teilzunehmen. Bei der Ada Initiative handelt es sich um ein international tätiges Nonprofit, das die Förderung von Frauen im Bereich Open Source(-Technologie und -Kultur) zum Ziel hat; _AdaCamps_ sind Veranstaltungen der Initiative mit BarCamp-Charakter, die den direkten Austausch und die Vernetzung von an OS-interessierten Frauen ermöglichen sollen.
Da die Anzahl der Plätze für das Event begrenzt war, ging diesem ein simpler Onlinebewerbungsprozess voraus, bei dem Interessierte u.a. nach ihren Erfahrungen mit Open Source sowie ihrer Einstellung zu Feminismus bzw. feministischen Projekten gefragt wurden. Nachdem ich es anfangs nur auf die Warteliste geschafft hatte, erhielt ich Ende des Sommers doch noch eine fixe Zusage, was mich sehr freute, da ich bereits seit längerem die Aktivitäten der Ada Initiative verfolge und unbedingt an diesem ersten europäischen AdaCamp teilnehmen wollte.
Von den Organisatorinnen wurde für uns Teilnehmerinnen eine Mailingliste eingerichtet, auf der ich eine Vorstellungsrunde anregte, um die anderen Eingeladenen schon vorab ein bisschen kennenzulernen und auch erste Kontaktdaten wie Twitternamen austauschen zu können. Die Idee fand rasch Anklang und aus den Vorstellungsmails ging bald hervor, dass wir in Berlin ein mehrheitlich technisch orientierter, aber dennoch bunt gemischter Haufen an Frauen sein würden. Die Mailingliste wurde u.a. auch dazu genutzt, uns an die AdaCamp-Policies zu erinnern, die Voraussetzung für die Teilnahme an einem AdaCamp sind. Als länger in der IT(K)-Branche tätig gewesene Person, Hackspace-Mitglied und nunmehrige Informatikstudierende mit mehrjähriger Konferenzerfahrung im Technologiebereich (sowohl als Besucherin als auch Organisatorin) bin ich auf die Thematik von unerwünschtem Verhalten von Eventteilnehmer_innen sensibilisiert und weiß auch von den Bemühungen der Ada Initiative bezülich Codes of Conduct. Ich selbst bin Befürworterin von Codes of Conduct und deren ernstgemeinter Umsetzung, weshalb ich von den meisten Punkten in den Polices nicht sonderlich überrascht war, sondern diese vielmehr erwartet hatte. Neu war für mich die durchaus Sinn machende "Scent und smoking policy" der Initiative, die um zurückhaltenden Einsatz von Duftstoffen (Stichwort: Parfums) und Rücksichtnahme auf die nichtrauchende Mehrheit ersucht, und ein simples, aber effektives Farbsystem für Umhängebänder, um die (Un)Erwünschtheit des Fotografiertwerdens durch andere einfach und unmissverständlich auszudrücken.
Am Freitagabend war bei einem informellen Zusammentreffen in den Räumlichkeiten von Wikimedia Deutschland, dem Veranstaltungsort des AdaCamps, ein erstes Kennenlernen anderer Teilnehmerinnen bei Häppchen und Getränken möglich. Schon an diesem Vorabend des eigentlichen Events lagen Namenskärtchen mit Beschriftungsvorschlägen (z.B. eigener Name, bevorzugte Pronomen, Interessen) sowie Bänder in Ampelfarben zur Befestigung der Namensschilder bereit. Die Auflistung eigener Interessen erwies sich als gutes Mittel, um mit anderen ins Gespräch zu kommen bzw. ermöglichte auch ein "Wiedererkennen" von Teilnehmerinnen basierend auf ihren Vorstellungs-E-Mails.
Am nächsten Tag ging es dann wirklich los. Nach der Begrüßung und einem allgemeinen Intro gab es einen Talk zum Thema "Imposter Syndrome" durch eine der Organisatorinnen, der von einer Übung im Komplimentegeben und -nehmen gefolgt wurde: Wir wurden aufgefordert, uns Komplimente an andere (Anwesende, Freund_innen, Vorbilder) zu überlegen und diese auf Post-Its festzuhalten. Die Übung resultierte in einer Wand voll inspirierender, positiver Komplimente, die das Event über bestand und von der wir uns jederzeit (Wunsch-)Komplimente "pflücken" und diese an unsere Namenskärtchen kleben konnten. Danach ging es daran, Sessions für die folgenden zwei Tage vorzuschlagen, anzufragen, dafür Interesse zu bekunden und einzuteilen. Thematische Vorgaben gab es außer den gemeinsamen Interessensgebieten Open Source und Feminismus nicht, jedoch wurde zwischen theoretischen Sessions und praktischen Workshops unterschieden. Wie bei einem BarCamp üblich waren wir selbst gefordert, Ideen einzubringen und Themen vorzuschlagen bzw. uns diese zu wünschen, was auch sehr gut funktionierte. Bald gab es eine Vielzahl von Vorschlägen auf großen, bunten Zetteln, die von den beiden Organisatorinnen rasch zu einer kleineren Anzahl von thematisch verwandten Sessions zusammengefasst wurden.
Wie bei jedem Barcamp folgte nun die "Qual der Wahl". Um eine andere Teilnehmerin zu zitieren, die das Dilemma sehr treffend formulierte: "Eine gute Konferenz definiert sich nicht über die von mir besuchten Sessions, sondern über die, gegen die ich mich entscheiden muss." Wie auch schon bei anderen Unkonferenzen fiel es mir jedes Mal aufs Neue schwer, mich für eine der drei jeweils parallel laufenden Diskussionsrunden zu entscheiden, und immer wieder fand ich es (wie nicht anders zu erwarten!) im Nachhinein, wenn ich die Gespräche oder Zusammenfassung anderer hörte, sehr schade, bestimmte Sessions versäumt zu haben. Ich selbst schlug keine eigenen Themen vor und hielt mich auch während des gesamten AdaCamps eher zurück (wodurch ich mich selbst etwas überraschte) und hörte mir vor allem an, was andere Teilnehmerinnen zu sagen hatten.
Themen, die während des AdaCamps behandelt wurden, waren u.a. "Creative Commons", "Being a woman and non-coder in open source", "Open Web and Mozilla", "Talking to women about feminism", "Fan culture as a gateway to open source" , "Job satisfaction", "Intro to hardware" oder "Write better code". Ich persönlich fand es sehr interessant, von den unterschiedlichen Problemen zu hören, mit denen sich feministisch interessierte bzw. aktive Frauen in den verschiedenen Ländern konfrontiert sehen. Die meisten Teilnehmerinnen kamen aus Europa, doch selbst hier gibt es offensichtlich nach wie vor große Unterschiede, was die Fortschrittlichkeit im Denken bezüglich der "Rolle der Frau" (in der Technik bzw. Open Source) betrifft - v.a. zwischen Ost- und Westeuropa. Eine Teilnehmerin aus Kenia wiederum berichtete, dass vielen Frauen in ihrer Heimat gar nicht bewusst sei, dass es auch andere Denk-, Handels- und Lebensweisen als zutiefst patriarchale gebe, was zu einer ganz anderen Ausgangsposition für Feminist_innen führe. Besonders hilfreich für die Praxis fand ich den Workshop zu Privacy Tools und Encryption am Sonntag, der für mich eine Auffrischung einerseits und eine Vorbereitung auf Kommendes andererseits bedeutete. Im Rahmen des Workshops wurden Konzepte zur Verschlüsselung von E-Mail, Chat und SMS besprochen und Maßnahmen zur E-Mail-Verschlüsselung auch praktisch umgesetzt.
Insgesamt konnte ich vom AdaCamp wahrscheinlich am meisten etwas zu guter und als rundum sehr einladend wahrgenommener Eventorganisation mitnehmen (immer wieder ertappte ich mich richtiggehend dabei, wie ich mir geistige Notizen zu bestimmten Aspekten der Organisation machte), wovon ich als Veranstalterin diverser Tech-Events für Frauen* stark profitieren kann. Die Größe des Events - wir waren ca. 50 Teilnehmerinnen - und dessen Aufsplittung in drei parallele Tracks während der doch recht kurzen Dauer von zwei Tagen machten es leider unmöglich, alle Besucherinnen näher kennenzulernen oder auch nur Gespräche mit ihnen zu führen, was ich sehr bedauerlich fand. Die Gespräche, die sich ergaben, waren jedoch alle sehr interessant und der Vernetzungsaspekt kam auch nicht zu kurz: Dank des AdaCamps traf ich einige Menschen, die ich bis dahin nur online kannte und konnte auch neue Kontakte zu wirklich tollen Frauen in anderen Ländern knüpfen, mit denen z.T. bereits zukünftige Kollaborationen geplant sind.
Kerstin Kollmann, 18. Dezember 2014